Dem kollektiven Jetlag bei der Zeitumstellung auf der Spur
Bald ist es wieder soweit! Mit der Zeitumstellung der Uhr von der Winter- auf die Sommerzeit wird die biologische Uhr vieler Menschen durcheinander gebracht und die Bevölkerung leidet an einer Art kollektivem Jetlag. Aber nicht nur bei Menschen sind solche Auswirkungen zu beobachten, auch die Tiere kommen aus ihrem natürlichen Rhythmus. Da stellt sich schnell die Frage, was man dagegen unternehmen kann und wie man seinen Körper möglichst schnell an die Zeitumstellung gewöhnt. Erklärungen könnten hier bald Forschungsergebnisse einer Biologin der Uni Kassel liefern, die mit ihrem Team die innere Uhr erforscht.
Umgangssprachlich nimmt man gern mal auf die innere oder auch biologische Uhr Bezug, wenn man zur gewohnten Uhrzeit am Morgen aufwacht oder am Mittag Hunger verspürt. Aber dies sind nur zwei der vielen, lebenswichtigen Prozesse im menschlichen Körper. Spezifische chemische Prozesse laufen in den verschiedensten Bereichen des Körpers ab, sei es im Auge, in der Leber oder gar im Gehirn. Jeder von ihnen läuft in regelmäßigen Kreisläufen ab und verkörpert eine biologische Uhr. Geraten diese Prozesse jedoch aus dem Takt, so kann dies beispielsweise zu Müdigkeit, einer geringeren Leistungsfähigkeit oder gar Krankheiten führen. Gleiches passiert auch bei Tieren, deren grundlegenden Prozessen auf der molekularen Ebene denen der Menschen ähneln. Aus diesem Grund untersucht Frau Prof. Dr. Monika Stengl, Leiterin des Fachgebiets Tierphysiologie/ Neuroethologie an der Uni Kassel, anhand von Madeira-Schaben und Tabakschwärmern, wie die Vernetzung und das Zusammenspiel der biologischen Uhren durch Neuropeptide gesteuert wird.
Einen ersten Schritt hin zum Verständnis lieferten bereits ältere Forschungsergebnisse, als die Biologin bereits vor 13 Jahren im Gehirn der Madeira-Schabe Schrittmacherneuronen ausfindig machen konnte, die eine zentrale innere Uhr bilden und weitere biologische Uhren im Körper des Tieres mit Hilfe von Neuropeptiden PDF („pigment-dispersing factor“) synchronisieren. „Zerstört man dieses Peptid im Körper der Schabe, so wird diese a-rhythmisch – das heißt, dass sie beispielsweise nicht mehr regelmäßig schläft und isst“, erklärt Prof. Stengel ihre Ergebnisse. Analog gibt es auch beim Menschen ein entsprechendes Peptid im Gehirn, das als wichtiges Kopplungssignal bei uns unter anderem dazu beiträgt, dass ein Zeitgefühl ausgebildet werden kann.
Neben den Schrittmacherneuronen, die die Neuropeptiden PDF enthalten und die inneren Uhren synchronisieren, beeinflussen auch äußere Rhythmen als sogenannte Zeitgeber die Verhaltensrhythmen. Einer dieser äußeren Zeitgeber ist zum Beispiel der 24-Stunden Rhythmus von Tag und Nacht, durch den die inneren Uhren mit der Umwelt synchronisiert werden. Lichtimpulse finden also Eingang in innere Uhren und beschleunigen sie, oder bremsen sie ab, abhängig von der Tageszeit,“ erläutert Prof. Stengel. Die Vorgänge im menschlichen Körper sind entsprechend, wo der 24-Stunden-Rhythmus des Menschen mit dem externen 24-Stunden-Rhythmus von Tag und Nacht synchronisiert wird. Die äußeren Lichtimpulse wirken auf den Mechanismus der inneren Uhr ein und beeinflussen die Produktion eines Uhr-Proteins, das wiederum seine eigene Produktion hemmt. Der Rhythmus, in dem dieser Prozess vollständig abläuft, dauert in der Regel etwa 24 Stunden.
Um die inneren, biologischen Uhren sowie die Auswirkungen von Jetlags und Zeitumstellungen zukünftig noch besser zu verstehen, ist das Forscherteam der Uni Kassel aktuell auf der Suche nach weiteren Substanzen wie Neuropeptide und Neurotransmitter, durch die die inneren Uhren gesteuert und beeinflusst werden. Ihr Ziel ist es, das Netzwerk der inneren Uhren am Beispiel der Madeira-Schabe weiter zu entschlüsseln und auch die Auswirkungen der einzelnen Neuropeptide auf das rhythmische Fressverhalten zu erforschen. Die Ergebnisse der Grundlagen-Forschung könnten laut Prof. Stengl später zum Beispiel in der Medizin Anwendung finden, als Grundlage für Forscherteams, die sich mit dem Einfluss von nicht zeitlich synchronisierten Körperfunktionen auf die menschliche Psyche beschäftigen.
Und für alle Jetlag-Geplagten hat die Biologin zum Abschluss noch einen sehr hilfreichen Tipp: Wer seinen Körper auf die Winterzeit einstellen möchte oder nach Westen fliegt, sollte sich zu Beginn der Nacht viel Licht aussetzen und sich außerdem sofort dem neuen Schlaf- und Essrhythmus anpassen. Bei einem Flug nach Osten oder der Umstellung auf die Sommerzeit hat der Körper es weitaus schwerer. Hier hilft es meist, wenn man sich über mehrere Tage hinweg in der späten Nacht einem hellen Licht aussetzt, um innere Uhren zu beschleunigen.
Quelle und weitere Information: Uni Kassel