Auf dem Weg zur sauberen Energieerzeugung: Fusionsreaktor Wendelstein 7-X erzeugt erstes Wasserstoff-Plasma
Seit vielen Jahren sind die Menschen auf der Suche nach einer sauberen Energiequelle, wie sie als Fusionsreaktor in verschiedenen Science-Fiction-Filme bereits zu sehen ist. In Realität arbeiten zahlreiche Wissenschaftler der Fusionsforschung daran, ein absolut klima- und umweltfreundliches Kraftwerk in Form eines Fusionsreaktors zu entwickeln. Es soll ähnlich zur Sonne Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen gewinnen. Einen Schritt in diese Richtung konnten jetzt die Wissenschaftler des Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) gehen.

Das erste Wasserstoff-Plasma im Wendelstein 7-X. Es dauerte eine Viertel Sekunde und erreichte – bei moderater Plasmadichte – eine Temperatur von rund 80 Millionen Grad Celsius. (Foto: IPP)
Für die Umsetzung eines Fusionsreaktors müssen vorab einige Herausforderungen durch die Forschung gemeistert werden. So zündet das Fusionsfeuer beispielsweise erst bei über einhundert Millionen Grad, weshalb der Brennstoff aus dünnem Wasserstoffplasma nicht in Kontakt mit kalten Gefäßwänden kommen darf. Er muss deshalb schwebend und nahezu berührungslos im Innern einer Vakuumkammer von starken Magnetfeldern gehalten werden. Mittlerweile haben sich hierfür zwei alternative Lösungen ergeben, die beide in Deutschland durch das im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) erforscht werden, der Tokamak ASDEX Upgrade in Garching sowie der Stellarator Wendelstein 7-X in Greifswald.
Aktuell steht insbesondere der Fusionsreaktor Wendelstein 7-X in Greifswald im Fokus des Interesses. Als weltweit größter Fusionsreaktor vom Typ Stellarator dient er der Untersuchung zur allgemeinen Kraftwerkseignung. Ein interessanter Aspekt, insbesondere da der Wendelstein 7-X Stellarator – im Gegensatz zum Tokamak-Typ – nicht zur Energieerzeugung gedacht ist. Trotzdem soll genau dies nun erforscht werden, wodurch speziell die Qualität des Plasmaeinschlusses gesteigert und dem des Tokamak-Typs ebenbürtig werden soll. Das wäre ein großer Schritt, denn der Stellarator-Typ bietet wiederum die grundlegenden Eigenschaften für einen Dauerbetrieb, sodass ohne aufwändige Zusatzmaßnahmen Entladungen von bis zu 30 Minuten möglich sein werden.
Bereits seit Anfang Dezember ist der Wendelstein 7-X in Betrieb und konnte schon mehr als 300 Entladungen mit dem Edelgas Helium erzeugen. Hierbei wurden in erster Linie die Plasmaheizung und die Datenaufnahme getestet sowie die ersten Messapparaturen zur Untersuchung des Plasmas in Betrieb genommen. Darunter befinden sich solch komplexe Instrumente wie zum Beispiel ein Röntgenspektrometer oder Interferometer, aber auch eine Laserstreuungs- und Videodiagnostik. Gleichzeitig wurden die erzeugten Entladungen dazu genutzt, die Gefäßwände des Plasmagefäßes zu reinigen. Denn je sauberer diese sind, desto höher konnte die Plasmatemperatur steigen. So konnten bereits Temperaturen von bis zu sechs Millionen Grad erreicht werden. Damit war laut Projektleiter Professor Dr. Thomas Klinger der Grundstein für die eigentliche Forschungsarbeit mit Plasma aus Wasserstoff gelegt.

Ein Knopfdruck von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel startete das erste Wasserstoff-Plasma in Wendelstein 7-X. Am Monitor beobachten das Ergebnis (v.l.n.r.): Prof. Thomas Klinger/IPP, Prof. Sibylle Günter/IPP, Prof. Otmar Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ministerpräsident Sellering sowie Dr. Christoph Biedermann/IPP. (Foto: IPP, Norbert Fellechner)
Diese startete auch im Rahmen eines Festaktes am 3. Februar 2016 mit zahlreichen Gästen aus Wissenschaft und Politik, in dessen Verlauf Frau Bundeskanzlerin Merkel per Knopfdrück den experimentellen Forschungsbetrieb startete und mit einem 2-Megawatt-Puls der Mikrowellenheizung eine winzige Menge Wasserstoff-Gas in ein ultradünnes, extrem heißes Wasserstoff-Plasma verwandelte. Bei diesem Vorgang lösen sich die Elektronen von den Kernen der Wasserstoffatome und schweben als geladene Teilchen im magnetischen Käfig des Wendelstein 7-X, der sogenannten Plasmakammer der Anlage, nahezu berührungslos von den Wänden. Nach Dr. Hans-Stephan Bosch, dessen Bereich für den Betrieb von Wendelstein 7-X zuständig ist, hat das erste Wasserstoff-Plasma mit einer Temperatur von 80 Millionen Grad und einer Dauer von einer Viertel-Sekunde hat das erste Wasserstoff-Plasma in der Maschine die Erwartungen vollständig erfüllt.
Nun beginnt die offizielle Experimentierphase mit dem Fusionsreaktor, die voraussichtlich bis Mitte März andauern wird. Anschließend soll das Plasmagefäß geöffnet werden, um Kohlenstoffkacheln zum Schutz der Gefäßwände zu montieren und einen sogenannten „Divertor“ zum Abführen von Verunreinigungen. „So ausgerüstet, werden höhere Heizleistungen, höhere Temperaturen und längere Entladungen bis zu zehn Sekunden möglich“, erläutert Professor Klinger. Mit dem stufenweisen Ausbau der Anlage wird das Ziel angestrebt, bis in etwa vier Jahren 30 Minuten lange Entladungen zu erzeugen, die bei voller Heizleistung von 20 Megawatt überprüft werden können.
Quelle und weiterführende Informationen: Max-Planck-Institut für Plasmaphysik